1.Oktober 2002

Das Amsterdamer Gericht hat beschlossen, dass eine Auslieferung des katalanischen Aktivisten und Sängers der Hardcore-Band KOP Juan Ramón (Juanra) Rodríguez Fernández zulässig ist.

Das Auslieferungsersuchen umfasst drei Punkte der Anklage:
  • Mitgliedschaft an/Zusammenarbeit mit einer terroristischen Organisation;
  • Versuch einer Verschwörung zum Verüben eines Mordes;
  • Auftreten als Kontaktperson zwischen dem ETA-Kommando in Barcelona und der Leitung dieser Organisation in Frankreich.

Das Gericht beschloss, dass die ersten zwei Punkte als einer zu betrachten sei und kam der Forderung zur Auslieferung bezüglich dieser Punkte nach.

Auslieferung hinsichtlich des dritten Punktes wurde abgewiesen. Das Gericht teilte die Besorgnis der Verteidigung von Juanra, dass die Möglichkeit bestehe, dass Juanra das Opfer von Folter in Spanien werden könnte; verlautbarte jedoch, dass dies eine Sache der spanischen Justiz sei und Verdächtige auch in Spanien die Möglichkeit hätten, eine Anklage wegen Misshandlung oder Folter einzureichen. Das Gericht empfiehlt dem niederländischen Justizministerium bei einer definitiven Auslieferung Juanras, die spanischen Behörden aufzufordern, Juanra nicht ‚incommunicado' festzuhalten (d.h., in einer fünftägigen Totalisolation, währendessen mutmassliche ETA-Verdächtige regelmässig gefoltert oder misshandelt werden). Das Gericht schloss auch nicht aus, dass der mutmassliche Chef des Barceloner ETA-Kommandos Fernando García Jodra während der ersten fünf Tage seiner Haft im August 2001 gefoltert worden sein könnte, urteilte aber, dass es keinen schriftlichen Beweis gäbe, der dies bestätige.

García Jodra hätte, so das niederländische Gericht, nach dem spanischen Gesetz die Möglichkeit des Einreichens einer Anklage wegen Folter oder Misshandlung, wovon er behauptet, das Opfer gewesen zu sein.
García Jodra legte während der ersten fünf Tage seiner ‚incommunicado'-Haft eine Erklärung ab, in der Aussagen gemacht wurden, die Juanra belasten. Direkt nach seiner ‚incommunicado'-Haft, bei der Vorführung vor dem Haftrichter, zog García Jodra seine bei der Polizei abgelegte Erklärung wieder ein und reichte kurz darauf eine Anklage wegen Folter und Misshandlung ein.

Juanras Anwalt kündigte nach Rücksprache mit Juanra an, dass der Verdächtige einen Revisionsantrag beim Obersten Gerichtshof der Niederlande stellen wird. Es wird noch mindestens ein halbes Jahr dauern, bis es zu dieser Verhandlung kommt. Abhängig von dem Urteil des Obersten Gerichtshofes trifft danach das Justizministerium eine Entscheidung bezüglich der Auslieferung. Bis dahin bleibt Juanra auf Kaution frei (im Juni 2002 wurde eine Kaution von 20.000 Euro für ihn bezahlt).

Wir sind froh, dass Juanra noch unter uns ist, aber gleichzeitig wütend über das Urteil des Amsterdamer Gerichts. Halbherzig wird die Besorgnis der Verteidigung über mögliche Folter/Misshandlung geteilt. Gleichzeitig beugt sich das Gericht vor der Anhäufung von Lügen und Verdrehungen, die die spanischen Behörden während der letzten zehn Monate präsentiert haben und vor dem standardmässigen Anwenden von Misshandlung/Folter bei mutmasslichen ETA-Verhafteten. Die spanischen Behörden benutzen Praktiken, die vielen lateinamerikanischen Diktaturen vorbehalten sind und versuchen im letzten Jahrzehnt in zunehmendem Maße, jede Form radikaler Opposition mundtot zu machen, indem unbewiesene Zusammenhänge mit der klandestinen baskischen Organisation ETA suggeriert werden. Letztes Frühjahr stellte die spanische Regierung selbst vor, die ‚Antiglobalisierungsbewegung' auf die europäische Liste der terroristischen Organisationen aufzunehmen. Hinterher wurde diese Vorschlag von einer Mehrheit der übrigen Mitgliedstaaten abgewiesen.

Das Gericht ging auf eine Reihe der von der Verteigigung angeführten Punkte insgesamt nicht ein. Aufgrund dieser Unterlassungen wird Juanras Anwalt Victor Koppe dann auch Revision einlegen.

Nach dem Bekanntgeben des Urteils brach unter den Anwesenden auf der öffentlichen Tribüne grosser Tumult unter den anwesenden SympathisantInnen aus. Transparente wurden gezeigt und die Glaswand der abgeschirmten öffentlichen Tribüne wurde mit in blutroter Farbe getunkten Händen bearbeitet, als Symbol der täglichen Folterpraktiken, die in Spanien stattfinden.

Juanra muss definitiv freigelassen werden!

Keine Auslieferung von Juanra an ein folterndes Justizsystem!

Weg mit allen Beschuldigungen gegen Juanra!